Leseprobe aus "Josephines große Tour"

 

Schiff und Crew

Der Sommer (so er denn überhaupt einer war) und unser erster Frankreichtörn liegen nun hinter uns. Die Zeit ist wie im Fluge vergangen und viele schöne Eindrücke, Begegnungen und Erlebnisse sind irgendwo auf der alten menschlichen Festplatte gespeichert und warten darauf abgerufen zu werden.

Lust auf einen virtuellen Trip von der niederländischen Nordseeküste nach Frankreich, durch Deutschland und zurück in die Niederlande? Dann folgen Sie uns! Uns = das sind Josephine, unser Boot, ein 30 Jahre altes Stahlschiff, in Hamburg gebaut und durchaus auch für die Nordsee konzipiert, 11m lang, 3,50 m breit, mit zwei Dieselmotoren a 55 PS; dann natürlich die Bordfrau Heide, zuständig für das leibliche Wohl und die Sauberkeit unter Deck, aber auch für das Festmachen unserer Josephine; ferner ich, Hanjo, der Skipper, zuständig für Törnplanung, Technik, Sauberkeit auf Deck und verantwortlich für alles, was schief geht (meint die Bordfrau). Und schließlich ist da noch der Bordhund Pablo, der seine Familie über alles liebt, nur nicht unbedingt das Bootfahren. Der 7 Jahre alte Rüde ist ein Golden Retriever, also im besten Mannesalter und da liegt sein erstes Problem. Sobald er eine gut riechende Hündin wittert, spielen seine Hormone verrückt und er ist nicht mehr zu halten; von Gehorchen ist dann schon gar keine Rede mehr. Sein zweites Problem ist, dass er fürchterlich gern mit anderen Hunden spielt. Dabei versucht er als Erstes, seine friedlichen Absichten zu dokumentieren, indem er sich ganz flach auf den Boden drückt und sich langsam an seine Artgenossen anschleicht. Leider wird das von den anderen Herrchen und insbesondere Frauchen häufig als Attacke auf ihren geliebten Vierbeiner missverstanden. Der wird deswegen weggezerrt, und Pablo versteht die Hundewelt nicht mehr.

Die Crew hatte zumindest zeitweise noch ein weiteres Mitglied, nämlich unser Enkelkind Marie, ohne das dieser Törn vielleicht schon nach zwei Wochen ein vorzeitiges Ende gefunden hätte. Marie ist fast 6 Jahre alt, kommt im August in die Schule und ist nach eigener Einschätzung schon richtig groß, weil sie festgestellt hat, dass sie bis „zum Huf vom dritten Schwein“ reicht (auf der Messlatte in ihrem Kinderzimmer). Marie ist auch begeisterte Seefahrerin und fragt zu Hause immer voller Ungeduld, wann es denn wieder zu Josephine geht. Sie beherrschte schon früh backbord und steuerbord, während rechts und links nicht so ihr Ding waren. Das stiftete im Kindergarten einige Verwirrung, denn die Kindergärtnerinnen waren seemännisch nicht so gut drauf. Marie hatte mit 4 Jahren auch bereits die Vollmatrosenprüfung bestanden, weil sie neben der richtigen Anwendung von backbord und steuerbord sogar noch einen Achterknoten binden konnte. Also ein vollwertiges Crewmitglied!

 

En France

Nun war es endlich so weit! Wir hatten die Écluse 59 „Les 4 Cheminées“ erreicht und waren in Frankreich. Mit Erstaunen mussten wir feststellen, dass auch in diesem Land die Verwaltungsfürsten vor den Eintritt in das Paradies die Bürokratie gesetzt haben. Von unserer Törnvorbereitung her wussten wir, dass wir an der Grenze eine Vignette für die Benutzung der französischen Binnenschifffahrtswege kaufen mussten. Die Vignetten gab es preislich gestaffelt nach Dauer des Aufenthalts in Frankreich und nach der Bootsgröße. Die Größe des Schiffes wird dabei nach Quadratmetern berechnet und nicht wie wir es sonst, z. B. bei der Berechnung der Liegeplatzgebühr in den Yachthäfen, gewohnt waren, nach der Länge. Schon bevor wir die Grenze erreichten, hatten wir die Tariftabelle ausgiebig studiert und festgestellt, dass es für uns am günstigsten war, in eine Vignette „Freizeit“, die 30 Tage gültig ist, und in eine Vignette „Ferien“, die noch mal 16 Tage abdecken würde, zu investieren. Leider war aus unseren Unterlagen nicht ersichtlich, ob eine solche Kombination möglich war, oder ob wir nicht doch eine Saisonvignette für vier Monate erstehen müssten, was erheblich teurer geworden wäre.

In der Hoffnung, dass das Personal der „Voies navigables de France (VNF)“ vielleicht englisch oder sogar deutsch sprechen würde, machte ich mich mit unserer Bootsdokumentenmappe auf den Weg zu deren Büro auf der Schleuse. Eigentlich wollte ich ja meine französisch sprechende Bootsfrau mit diesem Auftrag beglücken, weil ich außer unserer Muttersprache nur englisch und ein wenig niederländisch spreche. Mein Französisch beschränkt sich auf den Zaubersatz: „Je ne parle pas français, mais ma femme.“ Ansonsten verfüge ich in dieser schönen Sprache nur über den kleinen kulinarischen Wortschatz, der mir das Lesen von Speisekarten ermöglicht und verhindert, dass ich in dem Land der Gourmets verhungern könnte. Ich weiß also durchaus was sich hinter der Bezeichnung „soupe de poisson, côte d’agneau, choucroute garni oder truîte aux amandes“ verbirgt, aber für den Kauf einer Vignette oder einen kleinen Plausch mit dem Schleusenwärter ist das wohl nicht unbedingt hilfreich.

 

In einem französischen Supermarkt:

Bis dahin entflohen wir erst einmal zum CORA, um unseren geplanten Großeinkauf zu erledigen. Die Bordfrau hatte unsere Vorräte inspiziert und das Ergebnis war eine lange, umfangreiche Einkaufsliste. Mein Zettel war deutlich kürzer: Wein, rot und weiß, ein paar Flaschen Bier und ein größerer Vorrat an Mineralwasser.

Als wir am Ende unseres Marschs durch den riesigen Supermarkt zur Kasse gingen, war unser Einkaufswagen mal wieder bis oben hin gefüllt. Ich entdeckte voller Freude unsere Stammkassiererin Cindy an einer der Kassen und stellte mich bei ihr an. Ob die Freude auch auf ihrer Seite war? Bei unseren ersten Einkäufen vor zwei Wochen war ja jedes Mal, wenn wir uns bei ihr angestellt hatten, ein anderes Problem an ihrer Kasse aufgetreten. Sie erkannte uns sogar auch wieder und lächelte uns freundlich an. Wir waren gespannt, ob denn diesmal die Bezahlerei bei uns und den Kunden, die vor uns in der Schlange standen, reibungslos klappen würde. Artikel auf Artikel wanderte über den Scanner und die Zahlen auf dem Kassendisplay nahmen schon astronomische Höhen an, als plötzlich ein großes Gepiepe einsetzte und der Scanner keine weiteren Artikel mehr akzeptierte. Cindy wurde erst blass, dann rot und schüttelte schließlich nur noch den Kopf. Sie, ihre Kasse und wir, das war wohl eine Kombination, die nicht zusammenpasste. Aus dem Hintergrund erschien eine sehr viel Autorität ausstrahlende Oberkassiererin, fummelte resolut mit ihrem Schlüssel an der Kasse herum und meinte gönnerhaft: „So nun funktioniert wieder alles.“ Drehte sich um und wollte wieder entschwinden, aber das nahm die Kasse nicht so hin. Der Artikel, der das Gepiepe ausgelöst hatte, brachte die Kasse erneut durcheinander und nichts ging mehr. Wir wollten großherzig auf das Teil verzichten, weil hinter uns mittlerweile eine lange Schlange bis jetzt noch geduldiger Franzosen darauf wartete, dass wir endlich fertig würden. Das ging aber gegen die Ehre von Madam Oberkassiererin. Sie nahm abermals den Kampf mit der Kasse auf, schob die mittlerweile ein wenig verängstigt drein schauende Cindy zur Seite und übernahm selbst das Kommando. Die Kasse indes beeindruckte dies auch nicht weiter. Mit neuerlichem Gepiepe wurde das Scannen unseres Einkaufs verweigert. Nun griff Madame zum Letzten! Ein kräftiger Schlag auf die Scannerfläche und ………die Kasse gab nicht ihren Geist aber doch ihren Widerstand auf, zeigte an, was der Artikel kosten sollte, addierte ihn zur Gesamtsumme und wir konnten endlich bezahlen und die Kasse räumen. Die hinter uns wartenden Franzosen hatten die ganze Zeit unendliche Geduld bewiesen, ohne jedoch zu versäumen, Cindy und dem Kassendragoner viele gute Ratschläge zu geben. Die ganze Aktion hatte für die hinter uns geduldig wartenden anderen Kunden zudem einen guten Unterhaltungswert gehabt. Cindy würde uns sicherlich nicht so schnell vergessen und wir hofften, dass sie keine Angstvorstellungen entwickelt, wenn mal wieder Deutsche an ihrer Kasse auftauchten.