Leseprobe aus: "Mistral und blauer Pastis"

 

Und ewig lockt das Mittelmeer


 Es geht wieder los

Als begeisterte Bootfahrer hatten wir schon immer den Traum einmal mit unserer Josephine bis in das Mittelmeer zu fahren. Nachdem wir mit unserem Schiff früher nur in den Sommerferien unterwegs sein konnten und damit unser Radius entsprechend eingeschränkt war, hatten wir nach dem Eintritt in den Ruhestand nun endlich die Zeit und die Muße unsere Träume zu verwirklichen.

Schon einmal waren wir mit unserem Schiff gen Süden in Richtung Mittelmeer unterwegs gewesen und hatten Flüsse und Kanäle im Herzen Europas entdeckt. Allerdings hatten wir damals das Mittelmeer nicht erreicht.

Zwei Jahre waren seitdem ins Land gegangen und nun sollte es erneut losgehen. Wir hatten uns fest vorgenommen, es bei diesem Törn wirklich bis in das Mediterranée zu schaffen. Unser erster Versuch endete damals in Epinal, als uns die Einschulung unseres Enkelkindes, an der wir unbedingt teilnehmen wollten, zur Um- und Rückkehr zwang.

Unsere Marie ist nun ein richtiges Schulkind, wie sie selber sagt und auch sonstige wichtige Termine lagen für dieses Jahr nicht an, so dass wir guter Hoffnung waren, unser großes Ziel zu erreichen. Allen Freunden und Bekannten, die uns fragten wie lange denn dieser Törn dauern solle, antworteten wir sybillinisch: „ Mal sehen; vielleicht 3 Monate, oder 4, oder vielleicht auch 6?“ Da wir als Ruheständler zeitlich unabhängig waren, konnten wir uns diese luxuriöse Zeitplanung, um die uns manch einer beneidete, leisten. Und wir hatten uns vorgenommen, nicht möglichst rasch zum Mittelmeer zu schippern, sondern uns Zeit zu lassen, um den Törn genießen zu können und dort wo es uns gefiel, auch mal ein bisschen zu verweilen. Unsere Vorfreude erstreckte sich nicht nur auf die Mittelmeerküste, sondern auch auf den Weg dorthin. Dieser Weg war das eigentliche Ziel dieser Reise quer durch Europa. Immerhin fast 1350 km allein bis zum Mittelmeer; von der Rückreise ganz zu schweigen........

Bei uns stellte sich allmählich der große Hunger ein und wir machten uns landfein, um in der Ginguette essen zu gehen. Für die hiesigen Verhältnisse waren wir recht früh dran und von den zahlreichen Tischen waren nur wenige besetzt. Deshalb waren wir recht erstaunt, als uns ein, - auf uns zueilender -, Kellner höflich fragte, ob wir einen Tisch reserviert hätten, was wir verneinen mussten. Mit skeptischem Blick schaute er in seine große Kladde und erst nach längerem Suchen konnte er uns einenTisch am Rande des Gartenlokals zuweisen. Wir genossen einen Aperitif, studierten die Speisekarte und beobachteten, wie ein paar junge Männer mit Gartenschlauch und Schrubber die große Tanzfläche in der Mitte der Anlage auf Hochglanz brachten. Große Dinge schienen sich anzukündigen. Unser Menü kam und am Rande der Tanzfläche machte sich eine Einmann-Band mit Sängerin ‚Ingrid‘ bereit. Das Lokal hatte sich mittlerweile gut gefüllt als Ingrid loslegte. Sofort strömten etliche Paare auf die Tanzfläche und legten eine kesse Sohle hin. Die Musik war gut und die Tanzkünste durchaus bewundernswert. Heide ließ sich schnell anstecken und wollte auch gern tanzen. Mit Blick auf die ‘Profis‘ auf der Tanzfläche, die gerade einen Pasodoble hinzauberten und eingedenk meiner bescheidenen Tanzkünste, meinte ich jedoch, dass wir uns vielleicht zurückhalten sollten, um uns nicht zu blamieren. Im Übrigen hatte ich sehr bequeme Flip-Flops an den Füßen; zum Tanzen eine denkbar ungeeignete Fußbekleidung. Heide war enttäuscht, wurde aber durch einen kleinen Flirt mit Bruno, dem Chef de Restaurant, entschädigt. Er kam zu unserem Tisch, um sich zu erkundigen, ob alles in Ordnung sei und als er feststellte, dass wir Ausländer waren, verfiel er sofort ins Englische. Als Heide meinte, sie könne französisch und er müsse nicht unbedingt englisch mit uns sprechen, machte er ein sehr trauriges Gesicht und erwiderte: „ Oh Madam, bitte lassen sie uns bei Englisch bleiben. Ich spreche doch so gerne Englisch und habe so selten Gelegenheit dazu.“ Der Bitte konnten wir uns nicht verschließen, zumal auch ich mich nun an der weiteren Unterhaltung beteiligen konnte. Bruno wollte natürlich wissen, was uns nach Viviers verschlagen hatte und wohin wir weiter wollten. Er war von unserem Törn mächtig beeindruckt und wäre wohl am liebsten mit uns gefahren, doch die Pflicht rief in Form seines Patron und er musste zu seinem großen Bedauern unser Gespräch beenden. Wir genossen diesen herrlichen Abend und die gute Livemusik noch eine Weile und erst gegen Mitternacht trollten wir zurück an Bord. Wir waren gerade in der Koje, als es plötzlich heftig knallte. Pablo sprang sofort ins Bett, nach dem Motto: ‚Herrchen rette mich! Die Welt geht unter!‘. Nachdem ich mich von den bibbernden, gefühlten

100 Kg befreit hatte und auf das Achterdeck kam, sah ich die Ursache für die nächtliche Ruhestörung. Oben im Ort wurde vor der eindrucksvollen Kulisse der Kathedrale ein Feuerwerk in den nächtlichen Himmel abgefeuert. Viviers begrüßte den 14. Juli! Raketen zerplatzten mit lautem Knall am Firmament und ließen den Himmel in allen Farben des Regenbogens aufleuchten. Sternenregen in Gold und Silber gingen über uns nieder und noch bevor die letzten Sterne verglüht waren, stiegen die nächsten Raketen auf. Wir fanden das Feuerwerk wunderschön. Pablo schlotterte zwischen meinen Beinen und war nicht zu beruhigen. Für ihn war klar, dass er das Spektakel nicht überleben würde. Nach einer halben Stunde war dann der Spuk für ihn vorbei. Immer noch misstrauisch, ob nicht noch ein Nachschlag käme, ließ er sich überreden, mit uns in der Achterkajüte zu verschwinden. Vorsichtshalber wollte er aber in unserem Bett schlafen und konnte gar nicht verstehen, dass wir so herzlos waren ihn auf seinen Schlafplatz in der Ecke der Achterkajüte zu verbannen.